Im künstlichen Koma sind die Albträume das Schlimmste…
Er hat einen langen Kampf hinter sich: Arne Trumann gegen den Streptokokkus A. Den Kampf hat er gewonnen, aber die Bakterien haben Spuren hinterlassen.
Februar 2012. Arne Trumann hat eine leichte Rachenentzündung. Die kuriert er zwei Tage mit Tee, Honig und Ruhe, danach geht er drei Tage wieder zur Arbeit. Dann, am Freitagabend, schafft er es kaum nach Hause, fühlt sich sterbenselend.
„Nicht nur das Denken wurde schwerer, man mag sich nicht mehr bewegen, nicht mehr aufstehen. Man liegt einfach da und fühlt sich völlig entkräftet“, sagt Arne. Das kennt er nicht von sich. Er ist kerngesund, er spielt Klavier, hat neben seinem Beruf sogar Auftritte.
Innerhalb kürzester Zeit ist er völlig neben sich. Seine Frau ruft den Bereitschaftsarzt. 10 Minuten später ist er da – und erkennt die Situation nicht. „Der Bereitschaftsarzt hat mich noch nicht einmal berührt, nur Fragen gestellt an meine Frau und sich dann ein paar Notizen dazu gemacht. Dann meinte er, da könnte man nicht viel machen: Legen Sie sich mal hin und ruhen sich aus, hat er gesagt.“
Richtig gehandelt: Notarzt gerufen
Nach wenigen Minuten ist er wieder weg. Arne geht es immer schlechter. Seine Frau ruft schließlich den Notarzt. Der kommt wenige Minuten später und handelt sofort. Arne hat einen septischen Schock, eine schwere Blutvergiftung. Die Nieren versagen schon, der Notarzt fährt ihn direkt ins Krankenhaus. Arne wohnt auf dem Land. Durch die falsche Diagnose des Bereitschaftsarztes hat er schon Zeit verloren. 50 Minuten braucht der Rettungswagen bis zur Klinik nach Bremen. Bis zur Notaufnahme hält er durch, dann wird er ins künstliche Koma versetzt.
„Ich bin auf dem Weg ins Krankenhaus fast gestorben, an multiplem Organversagen. Es geht so rasend schnell, dass man nur noch wenige Stunden Zeit hat von dem Moment, in dem es festgestellt wird, bis zu den ersten Maßnahmen, die man ergreift. Und wenn die nicht gelingen, dann überlebt man das nicht.“
Drei Tage dauerte es bei Arne Trumann, bis man den Erreger gefunden hatte: Streptokokken A. Die hatten die leichte Rachenentzündung ausgelöst. Vier Wochen liegt Arne im Koma. Seine Fingerkuppen sterben ab, man muss sie ihm abnehmen.
„Das sieht so ähnlich aus wie die Bilder, die man kennt, wenn ein Bergsteiger eingefrorene Hände oder Fußspitzen hat. Eine Woche, nachdem ich wieder wach war, kam dann die OP, bei der dann die Fingerspitzen abgenommen werden mussten. Ich verdanke den Medikamenten mein Leben. Ich bin davongekommen, weil es die Apparatemedizin und die Schulmedizin gibt und die Antibiotika, die heute auf dem Markt sind, gegen die Bakterien, die mich befallen hatten, wirkten. Wenn das ein resistentes Bakterium gewesen wäre, hätte es keine Chance gegeben.“
Nach dem, was Arne heute weiß, standen die Chance so, dass er, wenn er sich entschlossen hätte, einfach ins Bett zu gehen und erst am nächsten Morgen den Arzt aufzusuchen, mit größter Wahrscheinlichkeit am nächsten Morgen gar nicht mehr aufgewacht wäre.
„Das größte Hindernis waren anfangs die Nähte an den Spitzen der Finger, weil es dort sehr schmerzhaft ist in der ersten Zeit nach der OP. Man hat mir gesagt, dass ich durch Anstoßen der Fingerkuppen diesen Schmerz wegbekomme und dass das praktisch durch Abhärten besser wird. Es ist so schmerzhaft, dass man am liebsten gar nichts anfassen möchte.“
Heute kann er fast alles wieder mit seinen Händen machen, sogar Klavier spielen. Damit kommt er klar, mit seinen Erinnerungen nicht immer. „Im künstlichen Koma sind die Albträume das Schlimmste. Man träumt lebensbedrohliche Situationen, die einfach nicht enden wollen. Im Nachhinein würde ich sagen, das möchte ich nicht nochmal erleben.“
Arne Trumann kämft auch weiter gegen die Sepsis. Er engagiert sich im Vorstand der Deutschen Sepsis Hilfe e.V. und ist Mitglied im Kuratorium der Sepsis-Stiftung und hat ein Buch über seine Erfahrungen mit Sepsis verfasst.
Foto: privat