Aus der Perspektive einer Angehörigen

Uns ist es wichtig, dass Sepsis, diese schwere lebensbedrohliche Erkrankung, mehr in das Bewusstsein der Öffentlichkeit rückt. Ganz besonders bei Ärzten und dem Pflegepersonal.

Sepsis ist nicht nur für Betroffene eine große Herausforderung sondern auch für die Angehörigen. Margarete Neumanns Mann Dieter mussten nach seinem septischen Schock der Magen, die Gallenblase und 2/3 der Speiseröhre entfernt werden. Seitdem hat sich das Leben der Familie grundlegend verändert.

Lesen Sie hier die ganze Geschichte aus Margaret Neumanns Perspektive.

Vor 3 Jahren im März war mein täglicher Weg (bis auf wenige Ausnahmen) zu meinem Mann in die Uniklinik Würzburg.  Er lag dort auf der Intensivstation nach einem septischen Schock mit Multiorganversagen,  hervorgerufen durch eine OP nach einem Magendurchbruch.

Mein Mann hatte seit Jahren immer wieder plötzliche starke Schmerzen ausstrahlend von der Brustwirbelsäule in den Bauch. Die Schmerzen waren oft so stark dass er sich nicht auf den Rücken legen konnte , nicht anlehnen im sitzen.   Es wurden mehrmals Magenspieglungen gemacht , aber außer einer leichten Gastritis war nichts auffälliges fest zustellen.  Die Ärzte meinten es sei psychisch bedingt (Stress am Arbeitsplatz) oder vom Rücken. Dass sich durch eine Zwerchfell Hernie und eine  Skoliose Teile des Magens in den Brustraum schieben können wurde bei den Untersuchungen nicht bedacht.  Wahrscheinlich kamen daher die Schmerzen und dann der Magendurchbruch.

Im Februar 2019 hatte Dieter wieder Schmerzen und konnte nichts essen. Ich beschloss einen Rettungswagen  zu rufen. Nach der Erstversorgung wurde er in das nächste Krankhaus gebracht. An einen Magendurchbruch hatte der Notarzt nicht gedacht, er vermutete, dass eine Rippe gebrochen ist und diese in ein Organ sticht. Als ich nach einer halben Stunde dort eintraf wurde mein Mann gerade in den OP-Saal gebracht mit Verdacht auf Magendurchbruch.  Es war tatsächlich eine Magenperforation. Das heißt 2 Löcher an der Magenrückwand und der Magen selbst war dünnwandig.  Die Löcher an der Magenrückwand wurden überklammert, der Bauchraum zweimal gespült.  Wir (mein Sohn und Ich) merkten dem Arzt an dass er skeptisch war was den Zustand meines Mannes betraf. Er sagte uns dass mein Mann zunächst erst mal  die nächsten Tage auf der Wachstation bleibt. Dort er wurde engmaschig  überwacht besonders die Blutwerte.

Am nächsten Tag hatte sich der Zustand meines Mannes stabilisiert. Er klagte zwar über Rückenschmerzen und Schmerzen beim Schlucken ansonsten war er gut ansprechbar.

Am Tag darauf rief ich morgens um 8 Uhr in der Klinik an um mich nach meinem Mann zu erkundigen. Ich konnte sogar mit ihm sprechen, er war gut drauf meinte  es geht ihm gut. Um 12 Uhr rief mich der Arzt aus dem KKH an. Den Wortlaut kenn ich noch heute.

„Nicht erschrecken !  Ihr Mann muss per Hubschrauber in die Uniklinik WÜ verlegt werden. Es macht sich da gerade eine Entzündung breit.“  Es kann sein dass er nochmal operiert werden muss. Auf meine Frage. „ Organversagen?“  Kam die Antwort:  „ Ihr Mann ist schon im septischen Schock.“

Als wir um 16 Uhr in der Notaufnahme in WÜ ankommen sagt man uns, dass mein Mann noch operiert wird. Wir warten  fragen immer mal wieder nach. Warten laufen über das ganze Klinikgelände um uns abzulenken.

Um 20 Uhr sagte uns die Ärztin, dass die OP nun soweit beendet sei. Es wurde der Magen entfernt, die Gallenblase und 2/3 der Speiseröhre.  Auf unsere Frage: Welche Überlebenschance hat mein Mann schweigt sie und lehnt sich nur zurück.  Wir müssen die nächsten 48 Std. abwarten.

Ich sage zu Dieter: Du bist doch ein Kämpfer  und hast immer für alles eine Lösung  gefunden. Das schaffst du. Du wirst auch diesmal eine Lösung finden. Gehört hat er mich sicher nicht, aber das weiß niemand so genau.

Eine Woche nach der OP verschlechtert sich sein Zustand erneut.  Die zuständige Intensivschwester und die Ärzte arbeiteten die ganze Nacht an ihm. Gegen Morgen erschöpfte sich sein Zustand zunehmend so dass er erneut Intubiert wurde. Er wurde wieder Kreislauf-unterstützt, Lungenödem und wieder an der Dialyse. Er soll nochmal operiert werden, aber die Ärzte möchten ihm noch etwas Ruhe geben.

 

Anfang April dachten wir jetzt geht es aufwärts

Die Entzündungswerte gingen langsam zurück.  Doch nach einigen Tagen bekommt er wieder Fieber,  wieder ein Anstieg der Entzündungswerte. Die Ärzte vermuteten eine Urosepsis wegen des  Katheders.  Als ich nachmittags meinen Mann besuche hat sich sein Zustand noch mehr verschlechtert. Ich versuche mit ihm zu sprechen.  Auf meine Frage wie es ihm geht antwortet er. „ Mir ist so kalt von innen. Ich kann dich doch nicht alleine lassen.“  Dabei schaut er an mir vorbei , die ganze Zeit, als ob er dort etwas ganz anderes sehen würde. Es macht mir Angst und ich denke jetzt verliere ich ihn doch noch. Beim verabschieden sagt er das erste Mal zu mir „Fahr vorsichtig.“ Nach 3 Tagen geht es ihm wieder besser und er wird wieder mehr mobilisiert.

Das Gefühlschaos in dem ich mich befand glich einer Achterbahnfahrt. Ein Tag fuhr ich voller Zuversicht nach Hause, am nächsten Tag schlich ich voller Angst aus der Intensivstation. Selbst den Ärzten merkte man die Erleichterung an, wenn es etwas Positives zu berichten gab. Wieder auf der Normalstation klappte die Ernährung nicht da Dieter nicht erklärt wurde, dass er nur kleinste Mengen essen kann. Dass mein Mann eine Sepsis gerade mal so überstanden hatte und noch mit den Spätfolgen kämpfte war wohl nicht bekannt. Ihm war nicht bewusst, dass er anders essen musste. Langsam und kleine Portionen auch beim trinken kleine Schlucke.

Wieder zuhause beschlossen wir unser eigenes Aufbauprogramm mit kleinen Spaziergängen mit Rollstuhl-Rollator.  Langsam erweiterten wir die Laufstrecke und wenn es nicht mehr ging habe ich meinen Mann zurück gefahren. Nach einigen Wochen konnte mein Mann schon mit Wanderstöcken gehen. Mit leichtem Kraft und Ausdauertraining in einem Medizinischen Fitness- Studio und gleichzeitiger Physiotherapie ging es weiter aufwärts.

Und auch der Kostaufbau wegen der Gastrektomie klappte  zuhause besser.

 

Doch das Leben nach der Sepsis ist ein anderes. Es hat sich vieles verändert.

Es passierte mir, dass Freunde beleidigt waren, weil mein Mann nicht stehen geblieben ist, damit er begrüßt werden konnte. Dass mein Mann das alles überhaupt nicht wahr genommen hat haben einige nicht verstanden.  Einige haben den Kontakt zu uns abgebrochen, da sie nicht verstehen können oder wollen , dass mein Mann sich verändert hat. Dass er nicht mehr so belastbar ist und nicht mehr für alle da ist um schnell mal was für die Leute zu reparieren.

Wir sind beide dankbar, dass mein Mann das alles überlebt hat.  Ein besonderer Wunsch meines Mannes war es die Ärzte zu besuchen die ihn operiert haben und sich bei ihnen zu bedanken, denn da waren Ärzte zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Auch das Pflegeteam auf der Intensivstation hat gute Arbeit geleistet.

Später haben wir sehr oft erfahren müssen wie wenig selbst Ärzte und Pflegekräfte über Sepsis und die Spätfolgen informiert sind.

Ich habe mich schon im März 2019 der Deutschen Sepsis-Hilfe angeschlossen. Ich informiere mich bei den verschiedenen Foren Sepsis Stiftung, Sepsis Dialog , Sepsis Akademie usw.

Ich versuche  Info Material über Sepsis in den  verschiedenen Arztpraxen auszulegen, denn Aufklärung ist so wichtig!