Meine Geschichte – wie ich wieder Vertrauen ins Leben fand und warum ich heute anderen helfe.
Manchmal verändert ein einziger Moment das ganze Leben. So war es bei mir – als eine Sepsis alles zum Stillstand brachte. Hier ist meine Geschichte. Sie ist nicht leicht – aber sie ist echt. Und sie zeigt: Es gibt Wege zurück.
Von Michael Schütze
Wochen der Warnsignale – doch niemand hört hin
Es begann schleichend. Schon seit zwei bis drei Wochen ging es mir immer schlechter. Ich war ständig erschöpft, hatte Schmerzen, fühlte mich einfach krank. Mehrfach suchte ich die Notaufnahme auf, doch ich wurde jedes Mal wieder nach Hause geschickt – ohne klare Diagnose, ohne ein Blutbild, ohne Antwort.
Beim letzten Besuch untersuchten mich ein Internist und ein Chirurg. Auch sie fanden keinen klaren Befund und entließen mich erneut. Zwei Tage später verschlechterte sich mein Zustand dramatisch. Ich war allein zu Hause, mein Hausarzt im Urlaub, meine Eltern verreist. Ich wusste: So geht es nicht weiter.
Als meine Eltern zurückkamen, schickten sie mich sofort zu ihrer Hausärztin. Ihr erster Verdacht lautete: Pfeiffersches Drüsenfieber. Doch sie zögerte keine Sekunde und ließ mich direkt per Notfall ins Krankenhaus einweisen.
"Wir können ihm nicht mehr helfen"
Im Krankenhaus war ich erst eine Stunde, als man meinen Eltern sagte: „Wir können ihm hier nicht mehr helfen.“ Ich wurde unverzüglich per Krankentransport in eine andere Klinik verlegt – mein Zustand war kritisch.
In der neuen Klinik kam ich direkt auf die Intensivstation. Dort kümmerte man sich gut um mich – das Pflegepersonal war aufmerksam, die medizinische Versorgung engmaschig. Und doch war diese Zeit für mich wie ein schwarzes Loch. Ich lag wochenlang bewegungslos da, angeschlossen an Geräte, sediert, völlig ausgeliefert.
Ich konnte nicht sprechen, nicht reagieren, nicht verstehen, was um mich herum geschah. Alles war verschwommen, unwirklich. In mir herrschte Dunkelheit. Ich fühlte mich eingesperrt in meinem eigenen Körper, wie gelähmt – und ich wusste nicht, ob ich das überleben würde. Ich wusste nur: Irgendetwas ist vorbei. Mein altes Leben war weg.
Was ich zu dem Zeitpunkt selbst nicht hören konnte, erfuhren meine Eltern ganz direkt: Die Ärzte sagten ihnen klar und ohne Umschweife, dass ich es nicht überleben werde. Diese Worte trafen sie wie ein Schlag – und waren für mich, rückblickend, der härteste Teil meiner Geschichte: zu wissen, dass meine Familie mit dieser Aussicht leben musste, während ich noch kämpfte, ohne es zu wissen.
Gleichzeitig spürte ich ihre Verzweiflung. Ich sah sie an meinem Bett stehen, hilflos, voller Angst. Alle hatten Angst – und ich hatte nichts mehr, woran ich mich innerlich festhalten konnte. Es war, als würde mein gesamtes Leben in Zeitlupe zusammenbrechen, während ich zusehen musste, unfähig auch nur ein Wort zu sagen.
Empathielosigkeit und Aussichtslosigkeit
Nach einigen Eingriffen wurde ich von der Intensivstation auf die chirurgische Station verlegt. Für viele mag das wie ein Hoffnungsschimmer klingen – für mich war es keiner. Die Atmosphäre dort war kühl, fast empathielos. Ich fühlte mich nicht wie ein Mensch, sondern wie ein Fall.
Die Ärzte sagten meinen Eltern offen: „Er wird nie wieder laufen können. Er wird für den Rest seines Lebens im Rollstuhl sitzen.“
Tiefer Fall – tiefer Schmerz
Ich war am Boden. Innerlich zerrissen. Äußerlich nur noch eine Hülle. Als ich langsam zu mir kam und verstand, was passiert war, hatte ich das Gefühl, in einem fremden Körper aufzuwachen. Ich konnte nicht sprechen, nicht laufen, mein Körper war kraftlos – mein Leben schien vorbei.
Ich war nicht nur krank – ich war gebrochen. Ich fühlte mich nutzlos, ausgeliefert, vergessen. Die Ärzte sagten, ich würde nie wieder gehen können. Ich war 26 Jahre alt – und sollte mein Leben im Rollstuhl verbringen.
Doch der Schmerz hörte nicht bei meinem Körper auf. Mein gesamtes bisheriges Leben stürzte in sich zusammen. Ich war Geschäftsführer meiner eigenen Firma – etwas, das ich mit Leidenschaft aufgebaut hatte. Und nun? Alles verloren. Ich konnte nicht eingreifen, nicht kommunizieren, nicht retten, was ich aufgebaut hatte. Ich musste zusehen, wie es zerbrach.
Ich fühlte mich wie lebendig begraben. Es gab Momente, da wollte ich nicht mehr. Ich hatte keine Hoffnung mehr. Nur Dunkelheit. Angst. Schmerz.
Der Kampf beginnt – ein Schritt nach dem anderen
Aber irgendwann – vielleicht war es Trotz, vielleicht war es Überlebenswille – kam in mir der Gedanke: Nicht so. Nicht jetzt. Nicht mit mir.
Ich wollte nicht warten, bis jemand kam, um mich zu retten. Also forderte ich Hilfe ein. Ich ließ mir eine Physiotherapeutin ins Krankenhaus kommen – eine Frau, die ich vorher nicht kannte, aber die bereit war, mit mir zu kämpfen.
Gemeinsam begannen wir mit ersten Bewegungen, obwohl mein Körper kaum mitspielte. Alles war schwer. Alles tat weh. Doch ich bewegte mich. Am Tag meiner Entlassung konnte ich mit Hilfe etwa einen Meter weit gehen. Für andere bedeutungslos – für mich ein Meilenstein. Ich lebte noch. Und ich kämpfte.
Der Entzug – Hölle auf Erden
Was dann kam, war eine der schlimmsten Phasen meines Lebens. Ich hatte über einen Monat lang rund um die Uhr Morphium bekommen. Mein Körper hatte sich daran gewöhnt. Als es reduziert und schließlich abgesetzt wurde, begann ein Albtraum.
Ich zitterte am ganzen Leib. Ich schwitzte so stark, dass meine Kleidung durchnässt war, das Bettzeug tropfnass – jede Nacht, jede Stunde. Ich konnte kaum schlafen, hatte Halluzinationen, fühlte mich wie eingesperrt in einem Körper, der sich selbst nicht mehr ertragen konnte. Die Schmerzen kehrten zurück – roh, scharf, erbarmungslos.
Es war, als müsste ich durch Feuer gehen, um wieder zu mir selbst zu finden. Ich war erschöpft, wütend, verwirrt – aber ich hörte nicht auf. Ich biss mich durch. Weil ich wusste: Wenn ich diesen Teil überstehe, kann ich alles überstehen.
Und ich überstand ihn. Ich konnte endlich aus dem Krankenhaus raus.
Zurück ins Leben – Stück für Stück
Nach meiner Entlassung begann der lange Weg zurück in ein selbstbestimmtes Leben. Das erste halbe Jahr war extrem anstrengend – körperlich wie seelisch. Ich musste mich Tag für Tag neu überwinden, trainieren, kämpfen, durchhalten. Alles war mühsam, jeder Fortschritt klein – aber er war da.
Innerhalb dieser Zeit gründete ich sogar eine neue Firma. Ich wollte nicht nur gesund werden, sondern auch beruflich wieder auf eigenen Beinen stehen.
Nach etwa drei Jahren fühlte ich mich wieder fast „normal“ gut. Ich hatte meine Kraft zurückgewonnen, mein Leben neu aufgebaut und begonnen, nach vorn zu schauen. Es war nicht derselbe Alltag wie vorher – aber es war mein Leben. Und ich lebte es bewusster als je zuvor.
Die Chance – aus Schmerz wird Sinn
Heute, viele Jahre später, sehe ich meine Sepsis-Erkrankung nicht nur als traumatische Erfahrung, sondern auch als Wendepunkt. Sie hat mich gezwungen, mein Leben neu zu betrachten – und ihm eine neue Richtung zu geben.
Ich habe zahlreiche Ausbildungen in den Bereichen Coaching, emotionale Gesundheit, Resilienz und Therapie absolviert. Heute bin ich Experte für emotionale Stabilität und Persönlichkeitsentwicklung.
Ich helfe Menschen, die selbst in schweren Situationen stecken – dabei, ihr inneres Chaos zu ordnen, wieder Mut zu fassen und neue Perspektiven zu finden.
Ich heiße Michael Schütze. Der Tag, an dem mir der Boden unter den Füßen weggezogen wurde, war auch der Tag, an dem ich begann, mein Leben wirklich zu verstehen. Und dafür bin ich heute dankbar.
Michael Schütze – Coach & Mentor für emotionale Stärke www.diagnose-schock.de