Ich bin Norbert und habe vor sechs Jahren eine schwere Sepsis überlebt. Heute bin ich
pflegebedürftig, aber ich lebe – ein Wunder für mich.

Jeder Atemzug ist ein Geschenk, das Leben ist kostbar.

Am frühen Morgen des Herbstanfangs 2019 weckte mich unerträglicher Schmerz. Verzweifelt rief ich den Notdienst an, doch statt Hilfe stieß ich auf Ablehnung. Eine fatale Verzögerung, die mich meine Gesundheit kostete. Möglicherweise wurde mir mein osteuropäischer Akzent zum Verhängnis – Diskriminierung im Gesundheitswesen ist und bleibt ein wichtiges Thema.

Eine Sepsis und ein ausländischer Akzent beim Notruf können also eine gefährliche Mischung sein – man wird von manchen Menschen nicht ernst genommen. Bei einer Sepsis zählt aber jede Stunde.

Der Notdienst zögerte, schickte erst spät einen Notarzt. Dieser war genervt, herablassend und nannte mich sogar einen Simulanten. Auf meine Todesangst reagierte er zynisch. Hastig verabreichte er mir eine Spritze – laut Klinikbericht der mögliche Auslöser der Sepsis.

Als doch noch Sanitäter kamen, sprach sich der Notarzt gegen meinen Transport aus. Erst nach langem Hin und Her brachte man mich ins Krankenhaus.

Da die Klinikärzte die Einschätzung des Notarztes übernahmen („Achtung, ein Simulant!“), wurde ich lange nicht angemessen untersucht. Eine sofortige Diagnostik oder gar engmaschige Kontrolle blieb aus. Das zog sich sieben lange Tage – wertvolle Zeit ging verloren.

Man legte mir Urinkatheter, was - durch aus meiner Sicht mangelnder Perineal-Hygiene mehrmals eine Harnwegsinfektion und schließlich Nierenversagen auslöste.

Wenn die Menschen wüssten, was in manchen Kliniken wirklich passiert, gäbe es täglich Proteste. Doch meiner Meinung nach ist das eigentliche Problem: Niemand kann das Personal dazu zwingen, grundlegende Hygienestandards einzuhalten – wie Händewaschen vor Eingriffen oder die ordnungsgemäße Sterilisation von Geräten.

Wäre gleich am ersten Tag eine Blutuntersuchung erfolgt und die richtige Behandlung eingeleitet worden, hätte ich die Klinik vielleicht nach zwei Wochen verlassen können, ohne ein Pflegefall zu sein. Doch das Prinzip „Hit hard and early“ wurde ignoriert.

Die Ärzte vermuteten Kreuzschmerzen – in Wahrheit war es eine Sepsis, die sofort hätte erkannt werden müssen, denn immerhin ist sie die dritthäufigste Todesursache. Erst als eine Krankenschwester mich vor Schmerzen jammernd fand, wurde Alarm geschlagen. Sie rettete mir das Leben, indem sie mich sofort auf die Intensivstation brachte, wo ein septischer Schock mit Multiorganversagen diagnostiziert wurde.

Ein septischer Schock ist der schlimmste Verlauf einer Sepsis und weil er bei mir erst so spät erkannt wurde, deutet dies für mich auf fachliche Unkenntnis beim Klinikpersonal hin. In mehreren Operationen wurde versucht, den Eiter im oberen Teil des Gesäßmuskels zu entfernen, aber sie führten vermutlich auch zu irreparablen Schäden, darunter ein inkompletter Querschnitt und eine Polyneuropathie. Zudem entwickelte sich bei mir das Restless-Legs-Syndrom und Depressionen. Die medizinische Literatur zeigt, dass viele Sepsis-Überlebende innerhalb von drei bis vier Jahren an den Spätfolgen sterben.

Aber bleibt optimistisch! Ich lebe über sechs Jahre nach dem Vorfall – ohne Medikamente. Vielleicht ist das der Grund, warum ich noch hier bin. Ich verzichte auf Chemie und achte auf meine Gesundheit. Auch mit Behinderung kämpft mein Körper weiter.

Leider erlebte ich auch das unhöfliche Verhalten einiger Klinikärzte. Einer sagte zu meiner Freundin: „Suchen Sie sich einen neuen Freund – er wird nie wieder gehen können.“ Mein Pfleger erzählte später, dass in der Klinik Wetten auf Leben und Tod abgeschlossen wurden – er hatte auf mein Überleben gesetzt und gewonnen.

Beratung für Betroffene
Tel.: 0800 737 7479
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Gemeinsam Sepsis erkennen und Leben retten.