• Kathrin erzählt von ihrem Kampf gegen Sepsis

Kathrin erzählt von ihrem Kampf gegen Sepsis

Von außen sieht man mir nichts an – und doch ist alles anders.

Kathrin leidet jahrelang unter starken Unterleibsschmerzen, für die keine Ursache gefunden wird. Im Dezember 2016 werden die Schmerzen unerträglich, ihr Mann bringt sie zum Arzt. Es wird ein Darmdurchbruch festgestellt, der bereits eine Bauchfellentzündung ausgelöst hatte. Durch diese schwere Infektion kommt es zu einer Sepsis. Doch auch nach der Entlassung muss sie weiterkämpfen: um wieder in den Alltag zu finden und um ihre Ansprüche gegenüber der Krankenkasse durchzusetzen. Nichts ist mehr wie vorher – obwohl man ihr von außen nichts ansieht.

Mein Name ist Kathrin, ich lebe im Freistaat Thüringen nahe Greiz. Wie viele Betroffene bin auch ich einen langen Leidensweg gegangen.

Meine jüngste Tochter ist 2002 geboren. Etwa ein Jahr später begannen die Schmerzen im Unterbauch. Sie wurden immer schlimmer. Je mehr Wochen und Monate vergingen, umso mehr fürchtete ich mich davor. Schmerztabletten aß ich zum Teil wie Brot; täglich mehrfach in hohen Dosierungen. Sonst hätte ich das nicht durchhalten können.

Ich suchte Ärzte aller gängigen Fachrichtungen auf. Der Gynäkologe meinte: Das sind die Wechseljahre, das geht vorbei, da musst du durch. Der Hausarzt sagte: Egal wie viele Untersuchungen wir machen werden, man wird nichts finden. Sämtliche Befunde von Internisten waren ohne besondere Hinweise.

Im Dezember 2016 kam es zum absoluten Desaster. Schon 2 Tage vorher schleppte ich mich auf Arbeit. Die Schmerzen waren unerträglich. Die Schmerzmittel halfen schon länger nicht mehr so wie sie sollten. Am Nachmittag des 07.12.2016 ließ ich mich von meinem Mann von der Arbeit abholen, nachdem meine Kollegen meinten, ich wäre schon grün im Gesicht und würde überhaupt nicht gut aussehen. Mein Mann wollte mich zum Arzt bringen, das wollte ich erst nicht, ließ es aber dann zu. Wenige Zeit später lag ich schon auf dem OP-Tisch. Das letzte, woran ich mich erinnere, ist, dass mich die Anästhesistin fragte, ob ich Angst hätte.

Es wurde eine Bauchspiegelung durchgeführt, um die Schmerzen abzuklären. Dabei wurde eine großflächige Entzündung im Bauchraum festgestellt, die sofort in einer großen Bauch-OP behandelt werden musste. Es wurden der Blinddarm und ein Teil des Dickdarms entfernt, da eine sackartige Ausstülpung der Darmwand (Divertikel) sich schwer entzündet hatte und in den Bauchraum durchgebrochen war, sodass es schon zu einer Bauchfellentzündung (Peritonitis) gekommen war. Diese schwere Infektion hatte eine Sepsis verursacht. Bei dieser Operation wurde erstmals auch eine schwere Endometriose festgestellt, die vermutlich die jahrelangen Schmerzen verursacht hatte.

Seit diesem Ereignis ist mein Leben nicht mehr mein Leben, wie ich es gewohnt war zu führen. Alles ist anders; nichts funktioniert mehr wie vorher. Kein Familienleben, keine Arbeit, keine Freizeitgestaltung, keine Hobbys, kein Zusammensein mit Freunden – alles änderte sich.

In den folgenden Monaten kämpfte ich mich ins Leben zurück. Es folgten noch mehrere Operationen.

Neben dem Fehlen der körperlichen Kraft machen mir kognitive Probleme zu schaffen. Ich kann nicht mehr wie gewohnt Sachverhalte analysieren, bewerten und lösungsorientiert umsetzen. Eine absolute Einschränkung für mich. Trotzdem habe ich im September 2017 wieder begonnen zu arbeiten. Allerdings hielt ich das nur rund ein halbes Jahr durch. Es folgten weitere OPs und Behandlungen.

Neben den körperlichen und kognitiven Einschränkungen kämpfe ich seither auch mit der Krankenkasse.

Nach einer OP im Uniklinikum Jena kündigte mir die Krankenkasse das Mitgliedschaftsverhältnis, weil ich mich angeblich einen Tag zu spät beim Hausarzt vorgestellt hätte. Eine beantragte Reha-Maßnahme lehnt die Krankenkasse ebenfalls ab. Es sind also mehrere Fronten, an denen ich dauernd arbeiten und kämpfen muss.

Ich habe nie aufgegeben, auch wenn es Phasen gab, in denen es verdächtig einfach gewesen wäre. Ich habe häufig gehadert. Ich habe aber auch immer diese Stimme in mir, die sagte: „Und jetzt erst recht!“.
Inzwischen bin ich zu Hause. Es hat lange gebraucht, bis ich auch gedanklich wieder zuhause angekommen war. So vieles hatte sich verändert. Aber ich bin wieder da. Und das zählt.

In den ganzen Monaten konnte ich jederzeit auf meine Familie zählen. Sie war zu jedem Zeitpunkt für mich, aber insbesondere für meinen Mann und unsere Kinder da. Ohne sie wäre Vieles nicht machbar gewesen. Dafür bin ich ihnen unendlich dankbar.

Mein Weg wird weiter zurück ins Leben gehen, das weiß ich. Jeden Tag ein bisschen mehr. Auch wenn es sich manchmal wie ein Rückschritt anfühlt, weil es Probleme mit den Amputationsstümpfen gibt oder Alltägliches noch schwerfällt. Viele meiner früheren Prioritäten haben sich verändert. Ich habe gelernt, vieles nicht mehr so wichtig zu nehmen. Ich werde mehr auf mich und meine Gesundheit achten. Denn die ist unbezahlbar.

(Foto: © Reto Klar)